Haftung aus Behandlungsvertrag |
Der Tierarzt haftet, wenn zunächst ein Schaden eingetreten ist, ihm ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verschulden vorzuwerfen ist (Pflichtverletzung; §§ 280 I, 276 BGB) und diese Pflichtverletzung kausal (ursächlich) für den Schaden ist. Die Rechtsprechung spricht hier in den meisten Fällen von Behandlungsfehlern oder auch Kunstfehlern. Dieser Begriff wurde aus der Terminologie „nach den Regeln der ärztlichen Kunst (lege artis)“ abgeleitet. Außer Fehlbehandlungen durch Medikamente, können Behandlungsfehler freilich in sämtlichen Stadien der Behandlung auftreten. Bereits bei der Impfung eines Tieres – welches im Übrigen auch als werkvertragliches Element angesehen wird – kann durch die Benutzung eines nicht hygienisch einwandfreien Besteckes (Kanüle) eine Entzündung, die unter Umständen bis hin zum Tode führen kann, entstehen. Gerade im Fall von Injektionen muss der Tierarzt – wie auch der Humanmediziner – eine gewisse Beobachtungszeit einplanen, bevor er den „Patienten“ entlässt, um mögliche Kreislaufreaktionen (z.B. Schock) zu vermeiden. Das OLG Oldenburg entschied 1997, dass ein Tierarzt für das Sterben eines Pferdes auf Grund eines anaphylaktischen Schocks nicht haftbar gemacht werden könne, wenn das Tier vorab lege artis behandelt wurde. Für eine ungewöhnliche Unverträglichkeitsreaktion kann der Tierarzt nicht haftbar gemacht werden. Wesentlich weitreichendere Schäden können durch missglückte Operationen auftreten. Sterben beispielweise bei einem missglückten Kaiserschnitt mehrere Welpen einer erfolgreichen Zuchthündin, kann der Schaden, für den der fahrlässig handelnde Tierarzt haften muss, leicht eine fünfstellige Haftungssumme erreichen. Zunächst einmal kann der Schaden an der Hündin selbst geltend gemacht werden. Dies sind unter anderem auch die Behandlungskosten. Des Weiteren können die Welpen, die bei der OP starben, im Rahmen ihres Markpreises als Schadensposition gelten. Sicherlich sind hierbei jedoch die Kosten der Aufzucht für die Welpen in Abzug zu bringen, da dies für den Halter ersparte Aufwendungen darstellt. Sollte die Hündin auf Grund der OP unfruchtbar geworden sein, kann auch ein Schaden aus entgangenem Gewinn entstehen, für die Welpen, die sie hätte noch gebären können. Und letztlich könnte man auch noch die Kosten für die Hündin, die auf Grund von Besuchen auf Ausstellungen, Untersuchungen für die Zuchttauglichkeit, Zwingeranmeldung, usw. entstanden sind, geltend machen. Schließlich hat man diese Aufwendungen nur getätigt, um eine qualitativ hervorragende Hündin präsentieren zu können und hieraus folglich auch entsprechende Preise für die Welpen erzielen zu können. Wie Sie anhand dieses Beispiels sehen, können auch bei „kleineren“ Tieren (nicht nur bei teuren Reit- oder Turnierpferden), immense Schäden entstehen, die ggf. zur Haftung des Tierarztes führen können. Im Übrigen stellt auch die überflüssige, nicht medizinisch indizierte Operation einen Behandlungsfehler dar. Eine Tierklinik kann darüber hinaus in AGB (allgemeine Geschäftsbedingungen) die Haftung für leichte Fahrlässigkeit insoweit nicht wirksam ausschließen, als eine "Kardinalpflicht" in Rede steht (OLG Stuttgart - VersR 1992, 979). Letztlich ist nicht nur die Handlung „strafbar“. Bislang wurden Beispiele aufgezeigt, bei denen der Tierarzt Behandlungsfehler durch „positives Tun“ begangen hat. Ein Fehler kann jedoch auch durch das Unterlassen einer angebrachten Handlung zur Haftung und demnach zum Schadensersatz führen. Ist z.B. eine Behandlung nach den Regeln der tierärztlichen Kunst notwendig und unterlässt der Tierarzt diese, kann auch dies zum Schadensfall führen. Schon das Nichtverabreichen eines Medikamentes oder einer Injektion, welche medizinisch indiziert gewesen wäre, kann einen Haftungsfall nach sich ziehen. Selbstverständlich ist auch hierbei zu beachten, in wie weit die vorhergehende Beratung und Aufklärung stattgefunden hat. Wenn ein Tierarzt bei einem Pferd eine Kolik feststellt, jedoch die Ursachen für diese Kolik – aus welchen Gründen auch immer – nicht erkennt, ist er einerseits aus Tierschutzgründen und andererseits auf Grund der Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des Halters verpflichtet, die Behandlung sofort abzubrechen und dem Tierhalter anzuraten eine Tierklinik aufzusuchen. Des Weiteren ist bei Behandlungen – ob sie nun durchgeführt werden oder ob diese unterlassen wurden – immer zu berücksichtigen, dass der Tierarzt auf Grund seines überlegenen Wissens und unter Beachtung des Tierschutzes handeln muss. Deshalb können auch die gerade beschriebenen Verhaltensweisen eines Tierarztes durchaus indiziert sein und demnach nicht zur Haftung führen.
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