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Wann ist ein Tier neu, wann ist es gebraucht? Drucken

Bei einem PKW ist die Unterscheidung zwischen neu und gebraucht durchaus nachvollziehbar und freilich sinnvoll. Es stellt sich jedoch die Frage, wann denn ein Tier neu oder gebraucht ist.

Unter Juristen war diese Frage sehr umstritten. Einer Ansicht nach sollte ein Tier dann als gebraucht gelten, wenn es der bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt worden ist.

Beispiel: Ein Schlittenhund wäre also dann ein „gebrauchtes“ Tier, sobald mit dem Training begonnen wird. 

Ein anderer Ansatz ging davon aus, dass Tiere grundsätzlich nur gebraucht sein können, weil der größte Einschnitt im Leben des Tieres ohnehin bereits die Geburt sei. Mit der Geburt fange schließlich die biologische Uhr „zu ticken“ an.

Ein Welpe, der im Alter von 12 Wochen verkauft wird, wäre demnach schon eine „gebrauchte Sache“.

Das Landgericht Aschaffenburg hat im Jahre 1989 in einem anderen Zusammenhang entschieden, dass ein neun Wochen alter Welpe eine „neu hergestellte Sache“ sei. Der Bundesgerichtshof hatte die Frage im Jahre 1985 für „bereits verwendete“ Rennpferde hingegen ausdrücklich offen gelassen.

Am 15.11.2006 hatte der Bundesgerichtshof jedoch darüber zu entscheiden. Im Übrigen ging es hier auch darum, ob ein Verkäufer (Unternehmer) auf Grund dessen, dass er ein „gebrauchtes“ Tier veräußerte, die Gewährleistungsfrist auf 1 Jahr verkürzen kann. Hier ein Auszug aus diesem wirklich besonderen Urteil:

Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, ist wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote  des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB insgesamt unwirksam, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden.

Tiere, die verkauft werden, sind nicht generell als "gebraucht" anzusehen. Ein Tier, das im Zeitpunkt des Verkaufs noch jung (hier: sechs Monate altes Hengstfohlen) und bis zum Verkauf nicht benutzt (hier: als Reittier oder zur Zucht verwendet) worden ist, ist nicht "gebraucht".

Sachen oder Tiere, die nach objektiven Maßstäben noch neu sind, können durch einen Unternehmer an einen Verbraucher nicht mit der vereinbarten Beschaffenheit "gebraucht" verkauft werden, um eine Abkürzung der Verjährung von Mängelansprüchen des Verbrauchers zu ermöglichen.

Nach dem Sachvortrag des Klägers, der in Ermangelung abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist, leidet das verkaufte Fohlen an einem – nicht behebbaren – Mangel (§ 90 a Satz 3, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Gestalt eines angeborenen Herzfehlers. Der hierauf gestützte Rücktritt des Klägers (§ 437 Nr. 2, § 326 Abs. 5 BGB) ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB wegen Verjährung des hypothetischen Nacherfüllungsanspruchs unwirksam.

Der zu unterstellende hypothetische Nacherfüllungsanspruch (§ 439 BGB) des Klägers unterliegt somit nach der gesetzlichen Regelung der zweijährigen Verjährung nach § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB. Der Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist für Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels (§ 438 BGB) auf zwölf Monate steht auch die Bestimmung des § 475 Abs. 2 BGB entgegen, der zufolge bei einem Verbrauchsgüterkauf die Verjährung der in § 437 BGB bezeichneten Ansprüche des Käufers im Falle des Verkaufs neuer Sachen nicht auf weniger als zwei Jahre abgekürzt werden kann. ...

... Ausgehend vom Wortsinn ist eine Sache gebraucht, wenn sie bereits benutzt worden ist. Das ist hier nicht der Fall. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das im Zeitpunkt der Auktion erst sechs Monate alte Fohlen vor diesem Zeitpunkt weder als Reitpferd noch zur Zucht verwendet worden. Nach einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung sind Tiere stets als "gebrauchte" Sachen im Sinne von § 474 Abs. 1 Satz 2, § 475 Abs. 2 BGB anzusehen. Begründet wird dies damit, dass eine am Verwendungszweck anknüpfende Abgrenzung nach den Kriterien "neu" oder "gebraucht" bei Tieren angesichts vielfältiger Arten und Verwendungsformen nicht nur sachlich unangemessen, sondern auch praktisch nicht oder nur schwer handhabbar sei.

Diese Ansicht ist - unbeschadet des Umstands, dass Tiere bereits ab ihrer Geburt ein gewisses, nur schwer beherrschbares Sachmängelrisiko in sich tragen mögen - mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.

Gemäß § 90 a Satz 3 BGB sind auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist. Die §§ 474 ff. BGB enthalten keine Sonderregelung für Tiere. Bei der im Rahmen der Schuldrechtsreform erfolgten Abschaffung der früheren Sondervorschriften über den Viehkauf (§§ 481 bis 491 BGB a.F.) ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien davon ausgegangen, dass es beim Tierkauf keiner speziellen Regelung zur Sachmängelhaftung und zur Verjährung bedürfe, weil die neu eingeführten kaufrechtlichen Vorschriften auch den Tierkauf angemessen regelten; auch für den Tierkauf sei zwischen "neu" und "gebraucht" zu unterscheiden, so dass Tiere verjährungsrechtlich nicht generell als "gebraucht" behandelt werden könnten. ...

... Der Gesetzgeber wollte mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz an der Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Tiere als "neu" zu bewerten sind, erklärtermaßen nichts ändern. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es dazu vielmehr, auch künftig sollten etwa junge Haustiere als "neu" anzusehen sein.

Dass der Beginn des "Gebrauchtseins" möglicherweise nicht für alle zum Kauf angebotenen Tiere nach einheitlichen Regeln bestimmt werden kann, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Auch in anderem Zusammenhang hat der Senat bereits entschieden, dass beim Tierkauf eine differenzierte Betrachtungsweise etwa bei der Frage geboten ist, ob die Vermutung des § 476 BGB mit der Art des Mangels unvereinbar ist. Ob und wann ein Tier auch unabhängig von der Frage, welchem Zweck es dienen soll und ob es dafür schon verwendet worden ist, allein durch Ablauf einer gewissen Zeitspanne nach der Geburt zur "gebrauchten" Sache wird, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, bei der Ausfüllung des Begriffs "gebraucht" im Sinne von § 474 Abs. 1 Satz 2, § 475 Abs. 2 BGB sei nicht nur auf das Gebrauchsrisiko, sondern auch auf das altersbedingte Sachmängelrisiko abzustellen, sofern sich der Zeitablauf nachteilig auf die Beschaffenheit auswirke. In Anbetracht der gesetzgeberischen Wertung, nach der jedenfalls junge Haustiere nicht als "gebraucht", sondern als "neu" anzusehen sein sollen, ist der bloße Zeitablauf unerheblich, solange das Tier noch "jung" ist.

Das ist bei dem im Zeitpunkt des Verkaufs erst sechs Monate alten Fohlen, das sich überdies noch nicht von der Mutterstute "abgesetzt" hatte, ohne Zweifel der Fall. Eine objektiv neue Sache kann nicht mit der vereinbarten Beschaffenheit "gebraucht" verkauft werden, um eine Abkürzung der Verjährung von Mängelansprüchen des Verbrauchers zu ermöglichen.

Das folgt bereits aus dem Sinn und Zweck des § 475 Abs. 2 BGB. Danach ist beim Verkauf neuer Sachen nicht nur eine ausdrückliche Verkürzung der Verjährungsfrist unwirksam; die Vorschrift untersagt auch sonstige Vereinbarungen über eine Erleichterung der Verjährung, wenn sie im Ergebnis eine kürzere Frist als zwei Jahre ab Lieferung der Kaufsache zur Folge haben.

Der dadurch beabsichtigte Verbraucherschutz wäre ausgehöhlt, wenn die Eigenschaft "gebraucht" einer Parteivereinbarung zugänglich wäre.

 

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