Tierrecht aktuell
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Selbstvornahme im Kaufrecht? PDF Drucken

Ein „altbekanntes“ Thema in der Rechtsprechung ist die sogenannte Selbstvornahme im Kaufrecht.

Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten, bspw. im Werkvertrags- oder im Mietrecht, existiert die Selbstvornahme im Kaufrecht nämlich nicht. Zunächst einmal bedeutet Selbstvornahme, dass der Käufer bei Vorliegen eines Mangels, diesen selbst oder – unter Zuhilfenahme eines Dritten – den Mangel auf Kosten des Verkäufers abstellen, bzw. abstellen lassen kann. Wie bereits gesagt, gibt es diese Möglichkeit im Kaufrecht nicht, was freilich auch daran liegt, dass dem Verkäufer ein Recht zur Nacherfüllung zusteht.

Doch auch hiervon hat der BGH (VIII ZR 1/05) erst am 22.06.2005 – speziell unter Beachtung des Tierschutzes – eine Ausnahme in einem spektakulären Urteil zugelassen.

Der Kläger hatte einen Terrier-Welpen erworben. Kurze Zeit nach der Übergabe erkrankte das Tier an blutigem Durchfall, der durch verschiedene Bakterien verursacht worden war. Der 30 Km von dem Verkäufer entfernt wohnende Kläger brachte den Welpen deswegen 4 Tage nach dem Erwerb zu einer Tierarztpraxis an seinem eigenen Wohnort. Für diesen Arztbesuch und für die weiteren tierärztlichen Behandlungen, welche sich über einen Zeitraum von vier Wochen hinzogen, entstanden dem Kläger Kosten von insgesamt 379,39 €. Der Sachverständige ermittelte, dass die Bakterieninfektion auf Fehler bei der Hundehaltung des Welpen beim Verkäufer zurück zu führen war.

Tatsächlich lag hier ausnahmsweise ein "nacherfüllungsfähiger" Mangel iSd § 434 I S.2 Nr. 2 BGB vor, da durch die tierärztliche Behandlung die Krankheit gänzlich ausgeheilt war. Der Käufer hätte jedoch dem Verkäufer eine Frist zur Behandlung – also zur Nacherfüllung - setzen müssen. Der Käufer hatte sich aber nicht mit einem Nacherfüllungsverlangen an den Verkäufer gewandt, sondern sogleich selbst einen Tierarzt aufgesucht und die entstandenen Kosten erst anschließend als Schadensersatz gefordert. Der Verkäufer hat natürlich diesen Einwand geltend gemacht und einen Schadensersatzanspruch abgelehnt. Der Einwand ist – in Anbetracht des Vorrangs der Nacherfüllung – zunächst grundsätzlich berechtigt.

Der Bundesgerichtshof hat den Verkäufer aber dennoch zur Zahlung verurteilt. Die sofortige tierärztliche Behandlung sei bei dem Welpen nämlich geboten und erforderlich gewesen, selbst wenn sich bei der Erstuntersuchung herausgestellt hat, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung nicht vorlag. Unter diesen Umständen war der Käufer nicht gehalten, und es war ihm auch nicht zumutbar, mit dem kleinen Tier im Auto eine Strecke von 30 Km zurückzulegen, um den Welpen zu dem Verkäufer zurückzubringen, damit dieser nunmehr die nötigen tierärztlichen Untersuchungen selbst einleiten konnte. Wenn bei einem mit der Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen Zeitverlust ein wesentlich größerer Schaden droht als bei einer vom Käufer sofort vorgenommenen Mängelbeseitigung, darf der Käufer – auch aus dem Gedanken des Tierschutzes heraus – sogleich selbst die Mängelbeseitigung einleiten.

Der BGH hat hier unter Abwägung beiderseitiger Interessen besondere Umstände als vorliegend angesehen und demnach einen Schadensersatz aus § 281 II Alt. 2 BGB zugestanden. Auch in Anbetracht der Schadensminderungspflicht des Käufers, kommt hier keine andere Ansicht in Betracht. Da der Verkäufer gem. § 439 II BGB grundsätzlich die Kosten der Nacherfüllung zu tragen hat, ist es entscheidend, dass diese Kosten wesentlich höher wären, wenn nicht sofort Abhilfe geschaffen worden wäre.

Der BGH hatte jedoch auch über die weiteren Behandlungskosten, die während der Nachbehandlungen entstanden sind, zu entscheiden.

Bei der medizinischen Behandlung eines akut erkrankten Tieres, insbesondere eines Hundewelpen, die sich über einen Zeitraum von vier Wochen hinzieht, ist bei der gebotenen Interessenabwägung ein Wechsel des Tierarztes für den Käufer unzumutbar und unzweckmäßig. Das ins Besondere dann, wenn sich die Kosten der Behandlung – absehbar – in Grenzen halten und in gleicher Höhe auch angefallen wären, wenn der Verkäufer nach entsprechender Aufforderung durch den Käufer die medizinisch gebotene weitere Behandlung des Tieres veranlasst hätte. Bei einem Wechsel des Tierarztes könnten ja möglicherweise sogar Mehrkosten entstehen, weil dieser nicht an eine eigene Erstuntersuchung hätte anknüpfen können. 

Es gibt jedoch auch andere Entscheidungen des BGH. Hier hält sich der BGH wieder daran, dass die Selbstvornahme ich Kaufrecht generell ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 - VIII ZR 126/05)

Auch beim Kauf oder Tausch eines Reitpferdes kommt ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung wegen eines behebbaren Mangels des Pferdes grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Erwerber dem Veräußerer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat (im Anschluss an BGH, Urteil vom 22. Juni 2005 - VIII ZR 1/05, ZGS 2005, 433).

 

Scheitert ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung wegen eines Mangels daran, dass der Verkäufer die Verletzung der Pflicht zur Verschaffung einer mangelfreien Sache nicht zu vertreten hat, so kann der Käufer die Kosten, die ihm dadurch entstanden sind, dass er den Mangel selbst beseitigt hat, auch dann nicht nach § 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB in Höhe der ersparten Aufwendungen des Verkäufers zur Mangelbeseitigung ersetzt verlangen, wenn es ihm aus besonderen Gründen nicht zuzumuten war, dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben (im Anschluss an Senatsurteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348, zur Veröffentlichung in BGHZ 162, 219 bestimmt).

 

Kommentar:

 

Es gilt im Grundsatz die alte Regel: Eine Selbstvornahme im Kaufrecht gibt es nicht!
 

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